Das Thema „Mietwagen“ stand in den letzten Jahren immer wieder Fokus der medialen Berichterstattung und der Politik. Vor allem junge Männer mieten sich übers Wochenende schicke, teils hochmotorisierte, Sportwagen an und erfüllen sich damit –jedenfalls für eine kurze Zeit– einen Kindheitstraum. So manche „Spazierfahrt“ endet mit einem Unfall, da vor allem unerfahrene Sportwagenfahrer die Leistung des Fahrzeuges unterschätzen und die Kontrolle verlieren.
Auch ohne Unfallgeschehen kommt es vor, dass Autovermieter im Nachgang zu einem Mietverhältnis hohe Schadensersatzzahlungen (i.d.R. Zahlung der Selbstbeteiligung) von den Kunden verlangen. Dabei tragen sie vor, dass während der Mietzeit „Schäden“ an dem Fahrzeug entstanden seien, die der Kunde (Mieter) verursacht habe.
Hierzu ein Beispielsfall aus der Praxis:
Der Vermieter sendet dem Kunden nach Beendigung des Mietverhältnisses eine E-Mail und teilt mit, dass am Mietfahrzeug eine Zustandsabweichung festgestellt worden sei. Gleichzeitig wird dem Kunden aufgegeben, sich zu der „festgestellten“ Zustandsabweichung zu äußern.
In unserem Beispielsfall teilte der Kunde mit, keine Kenntnis von einer Zustandsabweichung zu haben und verwies auf den Mietvertrag, wonach die streitgegenständliche Stelle am Fahrzeug ohnehin einen unreparierten Vorschaden aufwies.
Nach etwa zwei Wochen erhält der Kunde ein Anspruchsschreiben (E-Mail) des Vermieters samt beiliegender Reparaturkostenkalkulation des TÜV und einer Rechnung in Höhe von EUR 1.300,00.
Auffällig ist zunächst, dass der gewerbliche Autovermieter lediglich eine Reparaturkostenkalkulation vorlegt.
Eine Kalkulation ist nämlich kein Gutachten. Bei einer Reparaturkostenkalkulation ermittelt der Auftragnehmer –hier der TÜV– lediglich die voraussichtlichen Kosten einer Reparatur eines Kraftfahrzeuges. Dabei bleiben vorhandene unreparierte Vorschäden unberücksichtigt, da sie in Bezug auf die Reparaturkosten keine Rolle spielen.
Anders ist dies bei einem Schadensgutachten. Bei der Ermittlung eines Schadens kommt es u.a. auch darauf an, ob ein unreparierter Vorschaden vorliegt oder nicht.
Führt eines neues Schadensereignis lediglich dazu, dass ein Vorschaden weiter verstärkt wird, ohne dass dadurch ein erhöhter abgrenzbarer Reparaturaufwand entsteht, so ist dem Geschädigten nach materiellem Recht kein Schaden entstanden.
Ein juristischer Laie gewinnt beim Lesen einer Reparaturkostenkalkulation jedoch den Eindruck, dass es dieselbe Qualität habe, wie ein Gutachten, was objektiv nicht der Fall ist.
Schaut man sich das Lichtbild von der „festgestellten“ Zustandsveränderung näher an, so fällt auf, dass dieser mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Die Zustandsveränderung erweckt vielmehr den Eindruck eines Steinschlages. In rechtlicher Hinsicht spielt dies eine nicht unerhebliche Rolle (siehe unten).
Des Weiteren ist auffällig, dass auf den Hinweis des Kunden, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen unreparierten Vorschaden aufwies, seitens des Vermieters nicht eingegangen wird.
Im deutschen Mietrecht gilt die Vorschrift des § 538 BGB. Dort heißt es:
„Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten.“
Aus der Vorschrift geht hervor, dass ein Mieter für Zustandsveränderungen, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, nicht einzustehen hat. Derartige Zustandsveränderungen gelten mit der Zahlung der Miete (Mietzins) als abgegolten. Dem Vermieter steht in so einem Fall folglich kein Schadensersatzanspruch wegen etwaiger Zustandsverschlechterungen zu.
In unserem Beispielsfall zeigt bereits das Lichtbild, dass die Zustandsveränderung derart klein ist, dass vieles dafür spricht, dass es sich um einen Steinschlag handelt. Wird ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr bewegt, so ist das Fahrzeug den äußeren Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Insbesondere kann ein Kraftfahrzeug jederzeit von kleinen Objekten getroffen werden, die von anderen Verkehrsteilnehmern aufgewirbelt wurden. Hierzu gehören vor allem kleine Steine.
Für Zustandsveränderungen, die unvermeidbarer Weise durch Steinschläge entstehen, hat ein Mieter grundsätzlich nicht einzustehen.
Liegt eine Zustandsveränderung vor, die die Schwelle des § 538 BGB überschreitet, so steht dem Vermieter selbst dann kein Schadensersatzanspruch gegen den Mieter zu, wenn zu einem unreparierten Vorschaden weitere nicht abgrenzbare Beschädigungen hinzukommen, die keinen erhöhten Reparaturaufwand hervorrufen.
In unserem Beispielsfall wies die streitgegenständliche Stelle des Kraftfahrzeuges (Beifahrertür) bereits einen unreparierten Vorschaden (Kratzer) auf. Der „neue“ Kratzer wäre folglich lediglich zum vorhandenen Schaden hinzugekommen. Mit der Reparatur des Vorschadens würde „neue“ Kratzer automatisch beseitigt, ohne ein erhöhter Reparaturaufwand erforderlich wäre. Die Instandsetzung eines Kratzers erfolgt technisch in der Regel dadurch, dass das betroffene Teil des Fahrzuges vollständig neu lackiert wird.
Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass ein Geschädigter zulasten des Schädigers überkompensiert würde. Die gewerblichen Autovermieter könnten sonst für jeden weiteren Schaden (Kratzer) „abkassieren“, ohne das Fahrzeug jemals reparieren lassen zu müssen.
In unserem Beispielsfall würde dies sonst dazu führen, dass Sixt von dem jeweiligen Mieter eines Fahrzuges für jeden weiteren Kratzer stets die Selbstbeteiligung –unterstellt eine Haftungsbeschränkung wurde vereinbart– verlangen könnte.
In unserem Beispielsfall stand dem Autovermieter Sixt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen den Mieter zu. Es lag weder eine Zustandsveränderung vor, die die Schwelle des § 538 BGB überschritt, noch lag mangels Reparatur des Vorschadens ein ersatzfähiger „Schaden“ vor.
Letztlich erhielt der Kunde folgende Nachricht von Sixt:
Wir können nur jedem raten, im Nachgang zu einer Autoanmietung nicht vorschnell irgendwelche Zahlungen an den Vermieter zu leisten. Im Einzellfall sollte stets ein Anwalt den Sachverhalt prüfen, bevor irgendwelche Zahlungen getätigt werden. Die gewerblichen Autovermieter maximieren durch unberechtigte Schadensersatzforderungen ihren Gewinn. Sofern Sie nicht Teil dieser Masche seien wollen, empfehlen wir folgende Verhaltensweise bei der Anmietung eines Kraftfahrzeuges:
Schalten Sie notfalls Ihr Handylicht ein, sofern die Lichtverhältnisse gute Aufnahmen nicht erlauben. Nehmen Sie ein Video auf, während Sie einmal von außen um das Fahrzeug langsam herumlaufen. Achten Sie darauf, dass man auf dem Video jeden Winkel des Fahrzeuges gut erkennen kann. Ein verwackeltes Video ist genauso nützlich, wie überhaupt kein Video.
Machen Sie Lichtbilder vom Kilometerzähler sowie vom Tankstand des Fahrzeuges.
Dokumentieren Sie auch, ob der Innenraum des Fahrzuges irgendwelche Beschädigungen oder Verschmutzungen aufweist.
Tolga Topuz
Rechtsanwalt
Topuz Law – Kanzlei aus Düsseldorf –
Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie uns gerne kontaktieren. Wir werden uns unverzüglich bei Ihnen melden. Bei Eilbedürftigkeit rufen Sie bitte folgende Nummer an:
Tel : +49 211 43637831
info@topuz-law.de +49 211 94259339 Mo – Fr 07:30-19:00