Im deutschen Zivilprozess wird die mündliche Verhandlung durch die Schriftsätze der Parteien vorbereitet. Für den Anwaltsprozess ist dies sogar ausdrücklich in § 129 Abs. 1 ZPO geregelt. Anwaltsprozess bedeutet, dass sich die Parteien eines Rechtsstreites zwingend durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, um vor Gericht erscheinen und wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu können. Auch in Verfahren, in denen sich die Parteien – theoretisch – selbst vertreten könnten (Parteiprozess), wird die mündliche Verhandlung in der Regel durch die Schriftsätze vorbereitet, da sich die Parteien regelmäßig durch Anwälte vertreten lassen werden.
Durch das Stellen der Anträge wird die mündliche Verhandlung eingeleitet (§ 137 Abs. 1 ZPO). Ähnlich ist es auch im verwaltungsgerichtlichen- (§ 103 Abs. 3 VwGO), sozialgerichtlichen- (§ 112 Abs. 2 und 3 SGG), arbeitsgerichtlichen- (§ 46 Abs. 2 ArbGG) und finanzgerichtlichen (§ 92 Abs. 3 FGO) Verfahren.
Eine Ausnahme stellt jedoch das Strafverfahren dar. Nach dem Schluss der Beweisaufnahme halten der Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidiger jeweils ihre Schlussplädoyers. Der Verteidiger ist jedoch nicht verpflichtet, einen bestimmten Antrag zu stellen.
Unabhängig von der jeweiligen Verfahrensart darf die Bedeutung der mündlichen Verhandlung nicht unterschätzt werden. Vermeidbare Fehler, die in der mündlichen Verhandlung gemacht werden, können die gesamte schriftsätzliche Vorarbeit des Rechtsanwaltes zunichtemachen.
Ein guter Rechtsanwalt verinnerlicht nicht nur den Inhalt der jeweiligen Akten, sondern bereitet die eigene Mandantschaft auf eine bevorstehende mündliche Verhandlung vor. Die Vorbereitung des Mandanten hat selbstverständlich innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu erfolgen.
Hierzu im Einzelnen:
1. Allgemeines
Der Angeklagte muss sich vor Gericht zur Sache nicht einlassen. Dem Angeklagten steht das Recht zum Schweigen zu, da niemand gezwungen werden kann, sich selbst zu belasten (lat.: nemo tenetur se ipsum accusare). Dieses Recht ist unabdingbar für ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) und Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips.
Ein Angeklagter muss lediglich Auskünfte über seine persönlichen Verhältnisse erteilen.
Hierzu gehören:
Macht ein Angeklagter falsche Angaben über seine persönlichen Verhältnisse oder verweigert die Angabe dieser Informationen, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG dar und kann mit einer Geldbuße von bis zu EUR 1.000,00 geahndet werden.
2. Einlassung zur Sache
Nach Verlesung der Anklageschrift und der Mitteilung des Gerichts, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben oder nicht, wird der Angeklagte gefragt, ob dieser sich zur Sache (dem Tatvorwurf) äußern möchte.
Wir können nur jedem Angeklagten empfehlen, sich in keiner Weise zur Sache und damit zum Tatvorwurf zu äußern. Die Erfahrung zeigt einfach, dass sich Angeklagte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung und damit verbundenen Aufregung regelmäßig um „Kopf und Kragen reden“.
Die Erfahrung zeigt auch, dass die Gerichte Einlassungen des Angeklagten in der Regel gegen diesen verwenden. Ist die Beweislage dünn und „droht“ ein Freispruch, gehen manche Richterinnen und Richter dazu über, den Angeklagten mit Fragen zu „bombardieren“. Dies geschieht in der Hoffnung, dass sich der Angeklagte in bestimmten Punkten selbst widerspricht oder Bekundungen zum Vor- und/oder Nachttatgeschehen macht, die wiederum einem etwaigen Entlastungszeugen vorgehalten werden, um diesen einer vermeintlichen Lüge zu überführen.
Je intensiver sich ein Angeklagter einlässt, desto angreifbarer macht dieser sich und dessen potenziellen Entlastungszeugen.
Leider haben wir auch schon erlebt, dass Richter den Verteidiger zu übergehen versuchen und direkte Fragen zur Sache dem Angeklagten stellen und dieser in der Aufregung darauf reagiert. Als Angeklagter muss man versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren. In so einer Situation empfiehlt es sich zum Verteidiger zu schauen, damit dieser auf die Frage erwidern kann.
Im Gegensatz zum Strafverfahren steht einer Partei eines zivilrechtlichen Rechtsstreites nicht der „Luxus“ zu, sich auf ein etwaiges Schweigerecht berufen zu können. Im deutschen Zivilprozessrecht ist jede Partei gem. § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet, ihre Erklärungen über Tatsachen vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht kann dazu führen, dass die jeweilige Partei wegen versuchten oder vollendet Prozessbetruges belangt wird. Macht ein Anwalt zugunsten seines Mandanten vorsätzlich unwahre Aussagen, so stellt dies für den Rechtsbeistand eine strafbare Beihilfehandlung dar. Im schlimmsten Fall kann dies sogar zur Entziehung der Zulassung des Rechtsanwaltes führen.
Während einer mündlichen Verhandlung kann das Gericht Fragen an die Parteien stellen (§ 141 ZPO). Sofern sich eine Partei weigert, Fragen zu beantworten, kann dies im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) zulasten der jeweiligen Partei gewertet werden. Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen können die Parteien sich auch gegenseitig Fragen stellen, sofern die Frage nicht lediglich dazu dient, Ausforschung zu betreiben.
Ausforschung liegt immer dann vor, wenn eine Partei willkürlich irgendwelche Behauptungen aufstellt, um dadurch erst an Sachverhaltsinformationen zu gelangen.
Auch bei den übrigen Gerichtsbarkeiten können die Gerichte die Parteien bzw. Beteiligten jederzeit informatorisch zu bestimmten Dingen anhören. Darauf sollte der jeweilige Mandant stets hingewiesen werden, damit dieser sich hinreichend vorbereiten kann und sich nicht überrumpelt fühlt.
Nach alledem ist festzuhalten, dass vor allem Mandanten, die keine oder kaum Gerichtserfahrung haben, hinreichend über den Ablauf der Verhandlung in Kenntnis gesetzt werden müssen. Insbesondere sollte vor einer mündlichen Verhandlung besprochen werden, was der Mandant zu tun hat, wenn dieser sich mal unsicher ist, wie zu verfahren ist. Vorsicht ist nämlich besser als Nachsicht.
Tolga Topuz
Rechtsanwalt
Topuz Law – Kanzlei aus Düsseldorf –
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